Höhepunkte & Gegensätze

Der Titel ist Programm. Das wilde Gewusel der Grossstadt La Paz und die einsamen Weiten des Altiplano. Die Gegensätze begeistern auf ihre Art und weise und rauben uns manchmal wortwörtlich den Atem.

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Nach einer kalten Nacht auf ungefähr 4000müM werden wir vom Sonnenschein mitten auf dem Dorfplatz irgendwo im Altiplano geweckt. Wir wärmen unsere kühlen Glieder in der Sonne und machen nahtlos weiter, wo der letzte Blog aufgehört hat. Ab über die Fläche, rein ins Gewusel von La Paz. Die Verkehrssituation in La Paz ist berühmt berüchtigt, weshalb wir versuchen, in den frühen Morgenstunden in die Stadt, respektive in El Alto reinzufahren. Der Plan ist klar. Auto beim Flughafen parkieren und mit dem Rucksack runter ins Stadtzentrum. Wir kommen mehr oder weniger schnell, mit ein paar Nerven weniger beim Flughafen an und können unseren Javier beim bewachten Parking stehen lassen, zum Glück sind die Preise hier sehr passabel, weshalb wir uns diesen Luxus mehrere Tage leisten können. Wir satteln die Rucksäcke und lassen uns mit dem Minibus in den Talkessel fahren. La Paz liegt zwischen 3200-4100müM, mit eingeschlossen ist El Alto. Der Stadtteil oberhalb des Kessels gehörte früher zu La Paz, ist heute jedoch eigenständig und in der Zwischenzeit auch grösser als die berühmte Nachbarstadt. Für die Kesselform ist der höchstgelegene Regierungssitz der Welt bekannt. Die Lage ist äusserts imposant und aufgrund der Geländeform besteht ein grosses Netz an (österreichischen) Seilbahnen, welche als öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden. Aber nicht nur als Transportmittel eignen sie sich perfekt, sondern auch fürs Sightseeing. Mit der Bahn schweben wir über die Dächer und entdecken versteckte Ecken, erklimmen den Kesselrand ohne zu keuchen und geniessen den beeindruckenden Ausblick über die Stadt und die angrenzenden 5000-6000er, welche sich hinter den Wolken erahnen lassen. Auf diesen Höhen wird jede Steigung zum Training, und die Stadt ist definitiv nicht flach. Wir verweilen viel länger in La Paz als ursprünglich gedacht, streifen durch die Gassen, besuchen zwei Walking Tours, trinken frischen Saft auf dem Markt, essen uns durch den Streetfood, besuchen ein Gourmet Restaurant, treffen altbekannte Freunde, staunen über den Hexenmarkt und die dort hängenden toten Lama Embryos (diese werden bei Neubauten in die Häuser eingebaut als Gabe an Pachmama, einer von vielen Bräuchen in Bolivien), besuchen ein Cholita Wrestling (einmalige Sache), lassen den Mix von Tradition und Modere auf uns wirken und geniessen es, einige Tage an einem Ort zu sein mit Zimmer und Dusche.

Ausserdem schwingen wir uns endlich wieder einmal in die Fahrradsättel. Die berühmte "Death Road", eine Strasse von La Paz nach Caranavi hat zahlreiche Tote auf ihrem Gewissen. Die schmale Strasse war bis 2007 die Verbindung in diese Richtung und die steilabfallenden Klippen wurden vielen zum Verhängnis, den besonders das Kreuzen auf diesen schmalen Strassen ist lebensgefährlich. Heute gibt es eine neue Strasse für den Verkehr und die alte Route wird für Touristen benutzt, welche sich auf ihren Zweirädern in die Tiefe stürzen. Obwohl eine super touristische Tour, haben wir richtig viel Spass am runterdüsen und geniessen die Landschaft, welche vom kargen Hochgebirge auf 4670müM in den feuchtwarmen Regenwald der Yungas führt auf ca. 80km. Kein Wunder geniessen wir es in vollen Zügen, denn die einzige längere Steigung dürfen wir wieder in den Begleitbus steigen und werden hoch chauffiert. Dass hätten wir auf der Fahrradreise manchmal auch gebrauchen können...

Nach diesen Tagen in der lebendigen Stadt verabschieden wir uns erneut in die Einsamkeit des Altiplano. Das Wetter ist weiterhin durchzogen, die Regenzeit ist dieses Jahr verzögert und darum tangiert sie auch uns noch. Kurz vor der chilenisch-bolivianischen Grenze liegt der Sajama Nationalpark mit dem gleichnamigen Vulkan, unser nächstes Ziel. Das Wetter macht den Besuch im Park spannend, denn eigentlich hat man ein gigantisches Panorama inmitten von vielen 6000m hohen Vulkanen. Durch die Wolken kriegen wir immer nur kleine Happen der Giganten zu sehen, aber trotzdem ist die Landschaft beeindruckend. Der eigentliche Höhepunkt bildet aber unser Übernachtungsplatz. Wir schlafen direkt neben einer heissen Quelle, umgeben von Lamas und gigantischem Panorama, so, wie man sich Wildcampen in seinen Träumen ausmalt. Ausserdem können wir uns vor dem schlafen im warmen Wasser aufwärmen und so richtig schön aufgeheizt in unsere Schlafsäcke kuscheln, perfekt bei diesen kalten Nächten in der Höhe.

Nachdem wir am Morgen nochmals den Luxus unseres Privatspas geniessen, entschliessen wir uns aufgrund der Wetterlage, schon weiterzufahren. Bevor wir aber den Park und das dazugehörige Dorf verlassen, müssen wir doch noch die Parkgebühren bezahlen. Gestern war der Eingang zum Park unbewacht, heute fragen uns ein paar Männer beim Wasser auffüllen bezüglich der Eintrittsgebühren. Wahrheitsgetreu verneinen wir und erklären, dass niemand anwesend war gestern. Darauf kriegen wir eine komische Antwort, welche eher nach einer Ausrede klingt, aber nun gut, wir bezahlen natürlich, auch wenn wir nicht genau wissen für was. Infrastruktur hats eigentlich keine im Park, die Strassen sind schlecht und Naturschutz scheint auch nicht sonderlich wichtig. Es ist nicht das erste Mal, dass wir nicht so genau verstehen, wofür wir Eintrittsgebühren bezahlen aber hoffen wir, dass das Geld wenigstens in die dort lebende Community fliesst.

Oruro, das angepeilte Ziel, welches wir nie erreichen werden. Weg von den hohen Gipfeln rein in die karge Landschaft des Altiplano. Ab und zu ein Dorf, viele Quinoa Felder (wobei wir erst im Nachhinein realisieren, dass es solche waren) und sonst gibt es wenig zu sehen. Auf den grösseren Strassen Boliviens zahlt man Mautgebühren, und an einer dieser Mautstellen erfahren wir, dass in Oruro Strassenblockaden bestehen und die Stadt frühstens am Abend wieder zugänglich ist, wobei sicher ist nichts. Strassenblockaden sind ein gängiges Geschehnis in Bolivien, wir haben auch schon welche umfahren, manchmal sind sie aber ziemlich grossräumig und Stellen ein echtes Problem dar, so auch in diesem Fall. Gezwungenermassen ändern wir unsere Pläne und steuern nun direkt Uyuni an. Die ungeplante Wendung bringt eine neue Herausforderung mit sich. Bis zu diesem Dorf folgt keine Tankstelle mehr, und unser Tank reicht nicht bis dahin... Aber keine Panik, die Bolivianer sind gewappnet. In einem Dorf auf der Strecke fragen wir nach Benzin. Die Kanister werden rausgeholt und unser Tank gefüllt, nun sind wir gerüstet für die restlichen Kilometer bis zum Ziel.

Nach einer Nacht bei einem Aussichtspunkt erreichen wir am nächsten Tag relativ zeitig Uyuni. Dem einen oder andern mag der Name bekannt vorkommen, denn dort liegt die "Salar de Uyuni", eine Sehenswürdigkeit weit über die Landesgrenzen hinaus. Man kann die Salzwüste mit dem eigenen Auto befahren wenn man einige Dinge beachtet bezüglich Route und Autopflege vor und nach der Durchquerung. Wir wollen Javier aber nicht unnötig plagen und ausserdem sind wir uns unsicher, da noch einiges an Wasser auf der Salzwüste liegt, was die Routenwahl erschwert (es sind auch schon Autos eingebrochen). So fahren wir in die Stadt, welche überhaupt keine Schönheit ist und sind schneller als gedacht auf einer Tour durch die Salzwüste. Nach diesen vielen Kilometern geniessen wir es, einen Tag einfach mitfahren zu können und die einzigartige Landschaft zu geniessen, ohne uns um irgendwelche logistischen Dinge zu kümmern. Die riesige Salzfläche ist beeindruckend, vor allem aber der Sonnenuntergang mit der unglaublichen Spieglung hat sich ins Gedächtnis eingebrannt.

Auch die Übernachtung ist einzigartig. Wir schlafen direkt beim Zugfriedhof mit unserem Dachzelt. Dort, wo es tagsüber nur so von Touristen wimmelt, herrscht Abends totenstille und am morgen haben wir die Schrotthaufen ganz für uns alleine. Die Freuden der Unabhängigkeit. In Uyuni wollen wir keinen Tag länger bleiben, wie gesagt, es ist keine Augenweide. Eine letzte Runde für die Besorgungen und wir starten unser letztes Offroad Abenteuer mit Javier.

Einmal mehr könnten die Informationen, welche man über die sogenannte Lagunenroute findet nicht unterschiedlicher sein und so sind wir gespannt, was uns effektiv erwartet. Die Strecke befindet sich im Schnitt auf 3700müM und führt mehr oder weniger entlang der Chilenischen Grenze durch den bolivianischen Altiplano. Und was uns erwartet: Unglaubliche Landschaften und Weiten mit Lagunen, in welchen sich Flamingos tummeln, Vulkane die über 6000m in die Höhe ragen, einsame Sand Landschaften, unterschiedliche Gesteinsformationen, farbige Lagunen, blubbernde Wasserlöcher, heisse Quellen, einsame Stellplätze, gewittrige Nächte, anspruchsvolle Pisten, Viscachas (eine Art grosse Chinchilla), nur um ein paar Impressionen zu beschreiben. Eigentlich ist das ganze sehr einsam, gleichzeitig sehr touristisch, denn viele Jeeps mit Touris rasen durch die Gegend. Aber auch hier zahlt sich die Selbständigkeit aus, denn wir können an den Hotspots sein wenn keiner da ist und meist sehen wir daher niemanden. Es ist ein letztes grosses Abenteuer, das uns und Javier einiges abverlangt und gleichzeitig viel Freude bereitet. Am Ende der Route liegt die bolivianisch-chilenische Grenze. Es ist bereits Zeit, dass wir uns von Bolivien verabschieden.

Dieses Land hat uns voll in seinen Bann gezogen, hierhin würden wir sofort zurückkehren, es gibt noch viel zu entdecken. All die Bedenken im Vorfeld bezüglich Wildcampen waren umsonst, wir hatten keinerlei Probleme und fühlten uns stets sicher und willkommen. Der Fahrstil der Bolivianer lässt tatsächlich zu wünschen übrig, aber ausserhalb der Städte ist das Verkehrsaufkommen überschaubar. Trotzdem wäre es natürlich nett, wenn nur an übersichtlichen Stellen überholt werden würde... Auf ein andermal liebes Bolivien, du hast uns viel Freude bereitet!