Nur nicht zu schnell südwärts

Sonnig, frostig, regnerisch - ein bisschen von allem. Wie wir die Zeit bis zu unserem Voluntär Einsatz um die Ohren schlagen lest ihr in diesem Blog.

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Während in der Schweiz der Herbst anbricht, warten wir sehnlichst auf den Frühling. Direkt ab Santiago reisen wir in die Berge. Ca. 2h Autofahrt und wir sind wieder mitten in den Anden. Das Ziel ist der Cajón del Maipo. Eine vielbesuchte Region, einerseits als Wochenendziel der Hauptstädter aber auch vieler ausländischen Touristen. Obwohl wir mit eigenem Fahrzeug unterwegs sind, treffen wir fast zeitglich wie die geführten Touren am Stausee ein, wo alle einen Fotostopp einlegen. Wie so oft muss man aber nur ein paar zusätzliche Meter absolvieren, um die Bergwelt wieder für sich alleine zu haben. Das Wetter ist perfekt und die schneebedeckten Gipfel spiegeln sich im klaren Wasser.

Auch der nächste Tag beschenkt uns mit perfekten Wetterbedingung aber eher bescheidenen, um nicht zu sagen richtig schlechten Strassenverhältnissen. Aufgrund der starken vulkanischen Aktivität sind in ganz Chile viele heisse Quellen zu finden, 270 Stück an der Zahl, über die ganze Länge des Landes verteilt. Man könnte denken bei einer Attraktion wo sogar geführte Touren hinführen, müsste die Strasse einigermassen intakt sein, dem ist aber nicht so. Ein Hoch auf unseren "Javier", 4x4 Antrieb und genügend Bodenfreiheit, so dass wir die "Termas Valle de Colina" wohlbehalten, wenn auch etwas durchgerüttelt erreichen. Da, wo sich Kondor und Guanaco gute Nacht sagen liegen mehrere dampfende Becken am Hang und laden zum Entspannen ein. Gleich daneben ein Campingplatz (relativ flache Fläche theoretisch mit Wasseranschluss und Toiletten; funktioniert aber alles nicht), wo wir trotz allem die Nacht verbringen. Der Vorteil, wir haben 24h Zugang zu den Quellen, was wir natürlich ausnutzen. Am frühen Morgen weckt uns der zügige Wind. Nach längerem hin und her quälen wir uns aus dem warmen Bett und packen das Dachzelt in eisiger Kälte zusammen, die Böen sind zu stark. Und diese Böen sind die Vorboten des Wetterwechsels. Starke Winde, Kälte und später auch Regen vernichten unseren Plan eines frühmorgendlichen Bades und die geplante Wanderung.

Die trüben Tage prägen unsere Stimmung. Irgendwie sind wir etwas ziellos unterwegs, respektive die Ziele die wir anfahren stellen sich meist als mässig spektakulär heraus. Wir befinden uns in einer landwirtschaftlich geprägten Region, wo wenig naturbelassene Ecken zu finden sind. Das Spektakel suchen wir in Pichilemu, einer Surfmetropole wo auch internationale Wettkämpfe stattfinden. In der Hoffnung, ein paar eindrückliche Wellen(reiter) zu beobachten reisen wir dorthin. Am Surfspot angekommen sind wir enttäuscht. Nur zwei Surfer sind im Wasser und während ca. 15min während denen wir sie beobachten, versuchen sie keine einzige Welle zu erwischen, welch Ernüchterung. Das haben wir uns definitv anders vorgestellt und deshalb düsen wir direkt weiter südwärts. Ein kleines Highlight folgt am Abend. Während wir auf einem gratis Camping übernachten, schenkt uns eine Frau frisches, selbstgemachtes Ceviche. Ceviche ist ein typisches Gericht welches aus rohem Fisch und Zitrone besteht. Ein wahrer Gaumenschmaus! So steht nun die nächste Querung an, um wieder in die Bergregion zu gelangen. Unsere Hoffnungen ruhen auf dem Nationalpark "Siete tazas", wo wir uns ein bis zwei schöne Wanderungen und einen Wildcamping Platz erhoffen, welche uns ein paar Ruhetage ermöglicht. Die Geschichte ist schneller erzählt als uns lieb ist. Beim Eingang des Parkes müssen wir uns zuerst mühevoll ein Ticket online kaufen, denn obwohl zwei Rangerinnen vor Ort sind (es herrscht kein grosser Andrang) kann nicht bar bezahlt werden und mit unserem Internetanbieter haben wir keinen Empfang. Die nette Dame schickt uns zu einem anderen Eingang eines privaten Parkes, aber dieser ist natürlich zu. So kehren wir zurück und fragen, ob es denn keine Möglichkeit gibt trotzdem ein Ticket zu kaufen. Gnädigerweise macht uns die Dame dann einen Hotspot, so dass wir doch noch ein Ticket kaufen und den Park besuchen können. Irgendwie mühsam. Der kurze Weg führt zum Aussichtspunkt auf diese sogenannten sieben Tassen, ein Fluss der durch sieben Wasserbecken fliesst. Schön aber nach kurzer Zeit gesehen und auch die weiteren Wege sind sehr bescheiden. Leider sind die interessanteren Routen noch geschlossen aufgrund des Schnees. So endet dieser Ausflug auch schon wieder und wir drehen retour Richtung Küste.

An einem See im Inland finden wir endlich ein Plätzchen, wo wir wieder einmal verweilen können. In der aktuellen Region ist dies nicht immer so einfach aber das viele Fahren und wenige Dinge zum Bestaunen machen reisemüde. Wieso wir nicht einfach schneller in den Süden fahren, wo gefühlt tausend Attraktionen warten? Macht wenig Sinn, denn dort herrscht noch tiefer Winter und ausserdem haben wir Ende September einen Fixtermin in Pucón, wo wir einen Monat in einem Hostel mitarbeiten werden.

Zurück an der Küste, zurück im Regenwetter. Aber immerhin gefällt uns die Region etwas besser. Eine ländliche Küste mit kleinen, einfachen aber gepflegten Dörfchen, wo die Feldarbeit oft noch mit Hilfe von Ochsen und Pferden erledigt wird. Hier gönnen wir uns einen frischen Fisch vom Fischmarkt, wir haben nämlich einen Grund zu feiern. Chile feiert bald Nationalfeiertag, entsprechend sind Häuser, Shops, Schulen usw. mit Flaggen dekoriert. Der Lachs vom Grill schmeckt ausgezeichnet. Notiz an uns selber: Beim nächsten Mal keinen Lachs kaufen. Kein einheimische Sorte, nur aus Zuchtbetrieben, wo teilweise fragliche Verhältnisse herrschen. Chile ist nach Norwegen der zweitgrösste Lachsexporteur weltweit. Geschmeckt hat er trotzdem... Übrigens sind wir beeindruckt, wie abgehärtet die Chilenen sind. Wir sitzen in unserem Auto bei Wind und Regen und trinken dort unser Bier während neben uns Familien bei garstigem Wetter grillieren. Die Liebe zum Grill kennt hier keine Grenzen!

Ein überraschendes Highlight erwartet uns am nächsten Tag und es ist nicht der erneute Regen. Im nächsten Dorf soll anscheinend eine Seelöwenkolonie leben. Wir haben gelernt, dass solche Aussagen mit Vorsicht zu geniessen sind, aber was wir dann zu sehen bekommen, ist tatsächlich sehr beeindruckend. Ein Felsen im Meer überfüllt mit Seelöwen und im Wasser tummeln sich noch viele mehr. Ein Aufsteller an diesem regnerischen Tag.

Mittags erreichen wir Concepción, eine Handelsstadt und zweitgrösstes Wirtschaftszentrum des Landes. Keine Schönheit aber dafür mit grossen Einkaufszentren. Diese sind unser Zufluchtsort an diesem nassen Tag. Wie viele Chilenen auch verbringen wir unsere Freizeit also im Shoppingzentrum. Als wir unsere Einkäufe verstauen wollen, streikt erneut die Hecktüre des Autos. Das Timing könnte nicht schlechter sein. Samstag Nachmittag, ca. 17:00, alle Garagen bereits geschlossen und ein verlängertes Wochenende aufgrund des Nationalfeiertages. Da das ganze Essen nur vom Heck her zugänglich ist, ist eine solche Panne für uns ziemlich ungünstig. Wir entscheiden uns zuerst einen Schlafplatz zu suchen und dann einen Plan auszuhecken. Natürlich stellt sich auch die Suche nach einem Plätzchen als Herausforderung heraus, aber, welch Wunder, als wir dort nochmals unser Glück versuchen, funktioniert die Heckklappe wieder einwandfrei. Wir sind glücklich, übernachten auf einem Fussballplatz in einem kleinen Küstendorf, wo die halbe Nacht laute Partymusik durch die Gassen trällert. Der 18. September wird als "Tag der Unabhängigkeit" gefeiert. Eigentlich auf der Suche nach Kaffee landen wir mitten in einer Menschenmasse. Eine Parade darf nicht fehlen an solch einem Tag und so bestaunen wir steif marschierende Soldaten in diversen Uniformen.

Nach diesem Ereignis folgt erneut ein Abschnitt von etwas ziellosem der-Küste-entlang-südwärts fahren. Aufsteller der Strecke: Ein hübscher Strand praktisch für uns alleine, spontan entdeckt. Ein Ort zum verweilen. Das ist gut denn wir müssen nach wie vor noch etwas Zeit überbrücken damit wir nicht zu früh in Pucón ankommen. So verabschieden wir uns nun für eine längere Zeit von der Küste und drehen erneut Richtung Südosten. Das Regenwetter holt uns ein und vor allem soll es für einige Tage bleiben. Wir sind etwas ratlos wie wir die Tage noch verbringen sollen und entscheiden uns, einige Tage früher in Pucón anzukommen und in einem Hostel zu verweilen. Eine weise Entscheidung, denn nicht nur der Regen setzt uns zu, sondern auch ein netter Magen-Darm-Käfer plagt Beni am nächsten Tag. So bringen wir die letzten Kilometer hinter uns. In der Zwischenzeit ist die Landschaft saftig grün und wasserreiche Flüsse und Seen schmücken die Landschaft. Die Natur erinnert an Zuhause, wären da nicht die schneebedeckten Vulkane (welche wir zwar aufgrund der Wolken noch nicht sehen, aber wir wissen um deren Existenz). So erholen wir uns drei Tage im Hostel in Pucón, unserer neuen Heimat für die nächsten 1,5 Monate. Dann geht es los mit unserem Workaway.