Umdrehen und weiterradeln

Tage geprägt von Wind und Wetter, Umkehr und Neuorientierung. Wir finden unsere Wege, wenn auch nicht immer beim ersten Versuch.

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Antalya, die bekannte Stadt im Süden, ist ein erster Meilenstein auf unserer Route durch die Türkei. Wir erreichen die Stadt an einem herrlichen sonnigen Sonntagnachmittag und folgen dem kilometerlangen Fahrradweg entlang der Küste Richtung Zentrum. Der Weg führt durch eine lange Parkanlage und an diesem Nachmittag sind alle draussen. Familien, Kinder, Hunde, alle geniessen den schönen Tag. Wir sind einmal mehr sehr beeindruckt über die Picknick Künste der Türken. Campingstühle haben alle mit dabei, manche ganze Tische und Holzstühle und dann wird aufgetischt, gegrillt usw. Die Türken sind echte Picknick Profis und wissen das Essen im Freien zu zelebrieren.

Wir nutzen die Zeit in Antalya um uns auszuruhen, unseren ersten Hochzeitstag zu feiern und die nächsten Schritte zu planen. Einfacher gesagt als getan. Wir wollen eigentlich weg von der Küste in Richtung Zentralanatolien. Dort aber herrschen noch winterliche Verhältnisse und die Wetterprognosen sind eher mässig. Trotzdem müssen wir es wagen, sonst läuft uns die Zeit davon (Visum gilt 3 Monate und kann nur auf komplizierte Art verlängert werden).

Ausgeruht und motiviert nehmen wir den nächsten Abschnitt unter die Räder. Das sonnige Wetter hat sich verabschiedet und Dauerregen mit leichten Gewittern setzen ein. Ein Vorteil hat dieses Wetter. Auf dem Weg aus der Stadt heraus liegt der Düden Wasserfall, welcher sich ins Meer stürzt. Durch das miese Wetter sind die Wassermassen gewaltig und es ist in imposanter Anblick.

Der Rest ist schnell erzählt. Wir strampeln unsere Kilometer der Küste entlang ab, überdimensionale Hotelanlagen trennen uns vom Meer und der Regen begleitet uns ohne Unterbruch. Am Ende des Tages sind wir dankbar, in einem Hotel das letzte Zimmer zu ergattern und unsere Kleider zu trocknen. Auch der nächste Tag ist nass und grau, aber die Strecke wird nun abwechslungsreicher. Flussaufwärts fahren wir durch eine eher abgelegene Region (zumindest in der Nebensaison), umsäumt von (schneebedeckten) Gipfeln, hübschen Wäldern und malerischen Bachläufen. In einem Dorf suchen wir etwas verzweifelt nach einem Restaurant fürs Mittagessen. Die Herren des Dorfes nehmen sich dem Problem an, und kurz darauf sitzen wir irgendwo in einer Art inoffiziellen Kantine, kriegen ein ausgiebiges Mittagessen inkl. Dessert serviert und dürfen am Ende keinen Lira dafür bezahlen. Einmal mehr überwältigt uns die türkische Gastfreundschaft. Wir sind mega dankbar. Leider müssen wir uns am nächsten Tag zur Umkehr entscheiden. Die Route führt durch wenig bewohntes Gebiet mit vielen Höhenmetern und über einen Pass, von dem niemand genau weiss, ob er überhaupt passierbar ist oder komplett verschneit. So werfen wir noch einen Blick in die Köprülü Schlucht, essen eine leckere Forelle frisch vom Fluss und radeln bei trockenem Wetter zurück ans Meer.

Dort findet der Tag noch einen versöhnlichen Abschluss. Wir finden einen super Ort zum Campen am Meer, lassen den Abend am Lagerfeuer ausklingen und erwachen bei strahlendem Sonnenschein. Mit frisch gepresstem Organgensaft (wir haben uns eine kleine Saftpresse gegönnt; die Orangen gibt es überall, spottbillig und super gut) im Magen düsen wir nach Manavgat. Wir haben uns für eine weitere Busfahrt entschieden. So können wir uns einige Tage Fahrt den Berg hoch aufs Plateau ersparen und vor allem müssen wir nicht mit dem Fahrrad über den schneebedeckten Pass auf 1700müM fahren.

Busfahren, leichter gesagt als getan. Die Geschichte wiederholt sich und ist jedes Mal ein nervenaufreibend. Am Schalter kaufen wir die Tickets. Fahrräder mitnehmen sei kein Problem und koste auch keinen Aufschlag. Super. Der Bus kommt an, die Blicke des Buschauffeurs und -begleiters sprechen Bände. Fahrräder können sicher nicht mitgenommen werden. Einige Diskussionen, ein hin und her, die Fahrräder werden doch verladen (weniger sanft als wir uns wünschen), jedoch gegen einen Aufpreis. Weitere Passagiere packen mit an, so dass alles reinpasst, leider kriegt die Krawatte des galant gekleideten Busbegleiters Karenschmiere ab, was seine Stimmung nochmals verschlechtert. Ende gut, alles gut. Die Fahrräder und als Gepäck verladen. Der Busbegleiter wieder glücklich nachdem wir ihm ein Feuchttuch zur Reinigung gegeben haben und beim Ausladen ist er sichtlich stolz, dass er diese Aufgabe gemeistert hat. Wir unsererseits sind glücklich hats geklappt und sind unsere Fahrräder heil angekommen.

Konya ist eine Grossstadt auf 1200müM mit etwa 1.3 Mio. Einwohnern und ein religiöses Zentrum. Dort hat der Orden der Derwische seinen Ursprung und ist bis heute ein Pilgerort für Muslime. Wir verweilen, weil es mehrere Tage schneit und regnet. Aber auch am Tag der Fortsetzung ist das Wetter nicht besser. Wir wollen trotzdem los. Es liegen 100km flache gerade Hauptstrasse vor uns, kaum Infrastruktur, keine Übernachtungsmöglichkeiten. Gut eingepackt fahren wir im Schneegestöber los. Konya hat super ausgebaute Fahrradwege, vor den Ampeln hat es teilweise sogar Griffe, wo man sich halten kann, damit man nicht abstehen muss. Ausserhalb der Stadt werden die Bedingungen kontinuierlich schlechter. Zum Schnee kommen starke Windböen hinzu, die Finger und Zehenspitzen sind schon langsam unterkühlt und dann ist auch noch die Strasse gesperrt. Wir schlängeln uns durch eine lange Autokolonne. Die Polizei lässt uns passieren, wir wollen in die nächste Tankstelle um uns aufzuwärmen und die Lage zu evaluieren. Durchgefroren erreichen wir die kleine, alte Tankstelle und drinnen wird uns Çay und die Heizung angeboten. Wir bleiben ca. 1h, das Wetter eher schlimmer als besser, der Wind pfeift und die Strasse ist verschneit und vor uns liegen noch mind. 80km. Eine hoffnungslose Situation. Zum zweiten Mal innert kürzester Zeit werden wir zur Umkehr gezwungen. So kämpfen wir uns gegen den Wind zurück nach Konya, wo wir uns ein gutes Hotel nehmen, um den Frust zu vergessen. Wir gönnen uns ein Bier, morgen ist ein neuer Tag.

Der nächste Tag gibt Hoffnung. Die Strasse trocken, der Wind weniger, kein Niederschlag. Es geht los. 100km über die Fläche. Ca. alle 20km wird die Einöde durch eine Tankstelle unterbrochen, wo wir uns aufwärmen und stehts freundlich empfangen werden. Natürlich darf ein Çay nie fehlen, er wird immer spendiert. Wir sind froh, haben wir am Vortag das Vorhaben abgebrochen, wir hätten keine Chance gehabt. An diesem Tag aber schaffen wir (das erste Mal) 100km und erreichen einen Campingplatz mit kleiner Pension direkt neben der Karavanserei (Herberge zur Zeit der Karavanentransporte). Wir sind nämlich heute auf einer Strecke der Seidenstrasse gefahren. Die Unterkunft hat uns ein Tankwart auf dem Weg organisiert. Erleichtert, dass wir diesen Abschnitt hinter uns gebracht haben quartieren wir uns im einfachen, mit Ofen geheizten Zimmer ein. Der Camping ist familiär geführt und am Abend sitzen wir gemeinsam in der Stube, blättern durch alte Gästebücher und dürfen zuschauen, wie ein Teppich fachgemäss repariert wird. Müde aber zufrieden fallen wir in unsere Betten, das war ein intensiver Tag.

Auch die folgenden Tage hält uns der Wetterbericht auf Trab, aber zum Glück ist das Wetter besser als die Prognosen. Ein weiterer Tag auf der Hauptstrasse und wir erreichen Aksaray, eine lebendige und boomende Stadt. Wir sind glücklich, dass es hier leckere Pizza gibt. Das türkische Essen schmeckt uns wirklich vorzüglich, aber zwischendurch geniessen wir einen bekannten Geschmack in unseren Gaumen. Endlich können wir die breite Hauptstrasse wieder verlassen und über ruhigere Strassen die Gegend erkunden. Im Blick der schneebedeckte Vulkan Hasan Dağı (3253müM) und neben uns die Ihlara Schlucht, die wir später noch besuchen. Unterwegs machen wir Pause in einem typischen türkischen Teehaus. Ein unspektakuläres Gebäude, alles Männer beim Tee trinken und Spiele spielen. Eine friedliche Atmosphäre. Wir müssen uns daran gewöhnen, der Çay wird immer spendiert. Bereits entdecken wir erste spektakuläre Felsformationen, ein kleiner Vorgeschmack auf unser nächstes Etappenziel.

Die Ihlara Schlucht ist 150km lang und beherbergt 5o Felsenkirchen und zahlreiche Höhlenbauten. Die Schlucht war seit dem  7. Jahrhundert Siedlungsgebiet byzantinischer Mönche, welche all die Gebäude gruben. Wir spazieren durch einen Teil der Schlucht und geniessen die Einblicke in Geschichte und Natur. Und bereits am folgenden Tag besuchen wir einen nächsten Unterschlupf aus früheren Zeiten. Die unterirdische Stadt von Derinkuyu. 8 Stockwerke unter der Erde wurden freigelegt mit einer Fläche von 2500 Quadratmeter, der tiefste begehbare Punkt liegt 55m unter der Erdoberfläche wobei nur ca. ein Viertel der Anlage freigelegt wurde. In ganz Kappadokien werden ca. 50 solcher Städte vermutet, wobei nur 36 zugänglich sind und einige vielleicht bis heute unentdeckt. Die Grösse der Anlage beeindruckt uns sehr. Wir irren durch endlose Gänge, sehen Kirchen, Küchen, Belüftungsschächte, Ställe, Rollsteine zum verschliessen der Gänge usw. Wir stellen uns vor, wie wohl das Leben gewesen sein muss in diesen Anlagen, wobei bis heute nicht definitiv geklärt ist, ob diese Untergrundstädte nur sporadisch oder dauerhaft bewohnt wurden. Wir erreichen wieder das Tageslicht und nehmen die letzten Kilometer in Richtung Göreme unter die Räder. Das Wetter nun wieder sehr unfreundlich, zum Glück sind es nur wenige Kilometer und kaum Höhenmeter. Göreme ist ein absolut touristischer Ort im Herzen von Kappadozien. In dieser Region (nicht in Göreme) verweilen wir nun zwei Wochen. Fortsetzung folgt.